86. Warnemünder Woche – Aua Aua
Meine Tochter hatte mir mal erklärt, wie ihr in kurzen Abständen zwei Vorschoterinnen auf dem 420er
„kaputtgegangen“ sind:
„Aua Aua” Kader = Leistungsdruck + Reviere wie z.B. Warnemünde.
Nun Ersteres spielt beim Segeln für mich ja erklärter Maßen keine Rolle mehr, und so fuhr ich letzte
Woche mit einer Art „touristischem Anspruch“ zur 86. Warnemünder Woche. Diese Veranstaltung ist
mir unter dieser Prämisse sympathischer als die „prestigeträchtigere“ Kieler Woche. Weniger Fahrzeit,
weniger „professionell sterile“ Ausrichtung und einmal über die Brücke über den „Strom“ ist man mitten
in der Stadt. Und als ostdeutsch sozialisiert sofort: …heimisch.
Höchste Zeit auch, sich mal wieder in der
https://contenderclass.de/ blicken zu lassen.
Gut anderthalb Jahre war ich fast nur auf einer Gummiwurst auf Regatten unterwegs (und fühle mich
inzwischen auch genauso). Außerdem war es Fixtermin, eeeendlich die GER 363 wieder
klarzubekommen. Beim „Möbelstück“ war Feuchtigkeit unter den Lack gezogen und hatte
umfänglichere Restaurationsarbeiten notwendig gemacht als ein reines „aufpolieren“.
Für die Anreise stand der Mittwochabend oder der Donnerstag in aller Früh an. Die Entscheidung fiel
auf den Abend und so ergattere ich den letzten Stellplatz mit „Meerblick“ auf der Mittelmole. Als erstes
fällt mir der Neubau der „Sportschule“ auf, mit interessanter Fassadenunterkonstruktion und
zerfleddernder Wärmedämmung. Später erfahre ich, dass die Fassade schon einmal fertiggestellt war,
wegen Mängeln demontiert wurde und nun ein Streitfall ist … aua aua.
1.Wettfahrttag Donnerstag sieht folgende Programmpunkte vor:
-Check In, Regattabüro öffnet 8.00Uhr
-Steuermannsbesprechung 11.00 Uhr
-Erstes Ankündigungssignal 13.00 Uhr, zwei Wettfahrten geplant.
Ich muss dazwischen noch meinen „gebraucht neuen“ Mast eintrimmen. Ich hatte den zwar beim
Zusammenbauen des Bootes für die Messmarken mal probegestellt, dann aber den Winkel der
Mastspur nachgefeilt und es war keine Zeit mehr die Wantenlänge zu korrigieren. Als die Fuhre steht,
kommt von Andreas noch die Ansage, dass der Mast noch ein, zwei Löcher nach hinten gekippt
werden müsste. Wusste ich eigentlich selber, hatte mich aber auf einen gemütlich hoch hängenden
Großbaum gefreut. Nun ist er „allgemein anerkannte Standartwert“ – zwei Fäuste über Achterdeck bei
etwas mehr als moderat durchgesetztem Kicker eingestellt. Viel Freude dann bei den Wenden
„Fährst du jetzt Kohle? Für mich warst immer last man standing mit Alurigg?“
Dr. Joachim Harprecht, genannt Schappi ist auch mit dabei. Prinzipiell hat er die Contenderklasse in
Deutschland aufgebaut, lange zusammengehalten und kennt immer noch alle, auch die später dazu
gestoßenen Schäfchen. Er ist doch schon jenseits der siebzig und fährt immer noch vorne mit, – aua
aua….
Nun, der Donnerstag entspannt sich durch erst zwei Stunden Startverschiebung, dann „AP über A“.
Ich schnapp mir mein Fahrrad – ab den Strand. Warnemünde eben…
Umsonst ist aber nichts, der erste Start am Freitag ist auf 10.00Uhr vorverlegt worden und es sollen 4
Wettfahrten gesegelt werden. Wir haben Regattabahn Charly, ungefähr auf Höhe der 6. Seetonne, 1
Stunde Anfahrt – aua aua.
Die erste Wettfahrt verläuft schlimm. Es ist Hockwind, Richtung Nordost. Für mich das größte aller
„aua“. Zu wenig um es auf der Kante anders als maximal unbequem zu haben. Im Boot ist man zu
langsam, Druckänderungen in Geschwindigkeit umzusetzen. Dass Boot will wohl auch nicht richtig.
Mangelhafte Höhe, und gefühlt langsam. Und wenn man sich erst mal eingeredet hat, dass es nicht
läuft, dann kämpft man auch nicht mehr, fühlt nur noch:
„aua aua“
In der Pause zur nächsten Wettfahrt also: Apfel essen, Unterwanten weiter durchsetzen, noch andere
Sachen am Rigg rumfummeln und Kopf klarbekommen. Der Wind hat auch aufgefrischt. Dafür baut
sich nun die Welle auf (aua).
Am Ende der ersten Kreuz quittiert mir das Boot meine Übermotiviertheit. Ich muss im Wasser
schwimmend nach meiner Brille tasten und hab nun wohl für die folgenden Tage ein Veilchen. Es ist
aber keine Zeit für „aua aua“. Nach dem Aufrichten verdeckt das Segel im Bereich der Spreizlatte für
30cm den Mast. Sch…, also beim Sicherungsboot die Aufgabe der Wettfahrt erklären und ab auf den
Heimweg. Nach 200m will ich es aber doch wissen und nehme das Segel runter – kein Schaden. Die
Mastnut von unten – sieht auch noch brauchbar aus. Also Segel wieder hoch (was richtig „aua“ ist bei
der Schaukelei und dem Wind) und ab zum Startschiff:
„GER 363 bei der nächsten Wettfahrt wieder dabei“.
Hier nun, nach zwei gesegelten Rennen (für die anderen) macht sich offenbar „Meisterschaftsfieber“
breit. (Wir segeln ja hier immerhin unsere IDM.) Abbruch im Startverfahren, Korrektur der Line, 2mal
Gesamtrückruf, Black Flagg, wieder Startabbruch… Und alles in der Schaukelei, … aua aua.
Endlich geht ein Start durch. Die folgenden Wettfahrten bedeuten für mich dann ein immer
sorgenvoller Blick auf Boot und Rigg und das Bemühen, Druck und Welle „smooth“ zu kompensieren.
Bloß kein neues „aua“ verursachen. Offenbar macht das schnell. Jetzt erst realisiere ich die
Segelnummern um mich herum und merke, dass der sogenannte „Füllstoff“, mit dem zusammen ich
sonst so gern um die Tonnen treibe, bei dieser Veranstaltung fast komplett fehlt. „Last man standing“,
wenn auch nicht mehr mit Alurigg…
Abends ist KV-Abend mit Hauptversammlung und Buffet. Und ich bin mit der Diagnose A.L.T., die
körperlichen Wehwehchen betreffend, nicht allein. Auch Fälle von Seekrankheit sind vorgekommen.
Der folgende Tag wird wohl ein ausgedünnteres Feld sehen.
Am nächsten Morgen (Samstag) liegt ein Teil des Stellplatzes im Schatten. In der Nacht hatte unter
Hollywood-Blockbuster-Getöse ein „Seven Seas Mariner“ an der Mittelmole festgemacht. Aua,
anscheinend sind wir jetzt auch noch Fotomotiv für Kreuzfahrertouris.
Wind ist auf Nordwest gekippt, die durchweg starken Prognosen von gestern wurden auf „im
Tagesverlauf schwächer werdend“ korrigiert. Heißt für mich, möglichst alles aus der ersten Wettfahrt
herausholen, bevor der „Hockwind“ (aua) wiederkommt.
Naja, mehr Punkte konnte man aus der ersten Wettfahrt nicht rausholen (DNF 46). Auf Sausefahrt im
Raumgang gab es einen kurzen Wellenditscher, einen Knall mit darauffolgenden Schleudersturz.
Beim Aufrichten war der Baum nicht mehr am Lümmel und ich befürchtete schlimmstes „Aua Aua“
beim Boot:
„Wir hatten uns doch gestern dann noch so gut zusammengerauft!“
Es war aber „nur“ der Niederholer gebrochen. Fixen mit dem Reparaturbändsel – lächerlich. Der
Kicker ist 1:20 übersetzt. Heißt, jedes Teil muss 0,5 Tonnen tragen können. Also wieder beim
Sicherungsboot die Aufgabe der Wettfahrt erklären und Heimreise (12km) um die 29er auf Bahn Beta
herum.
Mit neu gebautem Niederholer wieder auf Anreise. Wind ist deutlich abgeflaut und hat mehr auf Nord
gedreht. Die Anreise am Morgen war für mich eher beängstigend. Raumer Wind, Sausefahrt und
ständig die Welle ausbalancierend. Kraftkostend, noch vor den Wettfahrten – aua aua.
Weit draußen schemenhaft Segel – Contendersegel. Schon oder noch in der Wettfahrt? Beim
mühsamen Näherkommen sieht es nach Start aus. Aua, wenigstens die dritte Wettfahrt wollte ich
noch schaffen. Oder doch nicht. Als das Startschiff erkennbar wird, hängt ein rot-weißes etwas am
Mast – AP. Beim Näherkommen überall genervte Gesichter. Nur eine gesegelt bisher und die Zeit mit
Startversuchen und Kursumbau abgegammelt – ouha.
Mit den folgenden Wettfahrten weiß ich, dass ich im Grunde nichts weiß. Miriam, die auf dem Down
einen Infight um jede Welle und jeden Zentimeter zwischen Simon, Christina und mir einfach mit
aufreizender Lässigkeit weiträumig umschifft hatte, gab ein Schlüsselbegriff: „Strom“. Ach ja, das gab
es ja auch noch! Wenn auch nicht auf unserem Binnenteich. Deshalb lasst sich ein Platz an der
Startlinie nicht halten, deshalb ist die Seite mit mehr Wind die falsche und das ist wohl das Grund für
die Sache mit der:
„Reisegruppe Hannes“
Hannes Seidel vom SVPA zählt für mich zu den erstklassigen Seglern, nicht nur in unserem Revier.
6.Wettfahrt, ich wollte eigentlich auf die linke Seite, war aber am Start derartig nach hinten
rausgedrückt worden, dass ich mich einfach verholen musste (zwei Wenden – aua aua). Nach der
ersten Wende bin ich mit freien Wind hinter Hannes und denk mir…, …nicht denken, fahr einfach
hinterher. Mit dem Umlegen dann ein Panorama der Katastrophe. Alles aber auch alles, was von links
kommt, kommt vorher durch – auuuuhauerha. Hannes arbeitet sich auf den Raumgängen ab (Aua!)
und verholt sich so wenigstens in den Teil des Feldes, in den er gehört.
Letzter Tag, Sonntag. Wind südlich. 3 Wettfahrten angesetzt. 2 regulär + eine nicht gesegelte vom
Donnerstag. Letzte Startmöglichkeit 14.00Uhr.
Aua aua – dass kann ein langer Tag werden. Wenn wirklich 14.00 letzter Start, 50-50min Wettfahrt +
1h Anreise, dann verpacken, verladen und 3 Stunden nach Hause fahren… aua.
Aber im Grunde glaubt auch die Wettfahrtleitung nicht ernsthaft an 3 Rennen. Überall stehen schon
abgebaute und teilverladene Boote. Contender, Korsare, FD. Alles Geschosse, die Spaß – aber auch
richtig „Aua“ machen können. Außerdem soll der Wind abnehmen, tut er auch. Und dreht. Beim Start
zur 9. Wettfahrt gelingt es mir tatsächlich, das Segel aufs Wasser zu legen, es nicht aus dem Trapez
und über die Kante zu schaffen und das Boot mühselig schwimmend aufzurichten. Surrender ist not
an Option, also hinterher. Auf Steuerbordschlag (vormals „Backbordbug“ genannt). Natürlich bin ich
einsamer Allerletzter. Was ein Panorama an Segeln vor mir. Die Kompasszahlen tickern kontinuierlich
hoch, und genauso kontinuierlich fallen Boote von voraus nach Lee raus. Sagenhaft. Kurz bevor es für
mich auch noch zu einem Anlieger wird zieht die Wettfahrtleitung den Schlussstrich mit Flagge N.
Damit ist auch das Thema 3. Wettfahrt für diesen Tag durch. Am Ende der 2. Kreuz werden wir dann
auch noch mit „S“ ins Ziel geholt. Sehr zuvorkommend, dass verkürzt auch die Rückreise. Die Sonne
scheint, was für eine schöner Segeltag nochmal.
Kaum an Land, ich ziehe noch im nassen Neo das Boot zu meinem Trailer, wird für 15.20 die
Siegerehrung der Contender angekündigt. Meine Uhr zeigt 15:14!
Aua, das ist ja schnell. Zur Siegerehrung ist auch die DSV-Präsidentin anwesend. Schön, dass die
Warnemünder Woche auch von daher nicht unterbewertet wird. Die KV und die Ausrichter versichern
sich gegenseitig, gerne gesehen zu sein und auch gerne wiederzukommen. Meine Meinung steht
sowieso fest:
„Das bisschen aua aua…“
Jens-Uwe Herrmann
auf GER 363 „Möbelstück“
PS.
Übrigens, zum mal probieren liegt so ein Contender im PSV Jollenpark.
Dem Jugendbereich entwachsen aber es soll auf dem Wasser sportlich weitergehen?
Regattasegler und es fehlt aber ständig ein Vorschoter oder Steuerfrau?
Im Contender kann man beides sein.
Und die KV unterhält auch konkurrenzfähige Einsteigerboote um sich auf Regatten in der Klasse mal
zu probieren.