Mingalaba – Wassersport in Yangon, Myanmar

Mingalaba – Wassersport in Yangon, Myanmar

Vielleicht sind wir uns schon mal auf dem Wasser oder auf dem Gelände des PSV begegnet? Vor ein paar Jahren wurde ich mit meiner Ixylon Old Lady Gastlieger beim PSV. Im Jahr davor war ich über die Messe „Boot und Fun“ geschlendert und bei Ulf Hollenbach am PSV-Stand hängen geblieben. Für mich als begeisterten Segler, der in Potsdam arbeitet, war und ist das ein Glück. Ich konnte und kann beim PSV zusammen mit vielen anderen meine Segelleidenschaft ausleben.

Allerdings hatte ich mich in letzter Zeit beim PSV rargemacht und meine Old Lady an Freunde verliehen. Im Sommer 2017 begann meine Frau eine neue Arbeit in Myanmar, auch bekannt als Burma, und ich begleitete sie. In Myanmar wohnten wir in der größten Stadt des Landes und ehemaligen Hauptstadt, Yangon. 

Begeistert hatte ich schon vor dem Umzug herausgefunden, dass es in Yangon einen See namens Inya Lake gibt, wo ein Segel- und ein Ruderclub existieren. Angesichts von Elend, Unterdrückung von Minderheiten, Kriegshandlungen und vielen anderen Problemen in dem Land klingt es vielleicht schräg, abgehoben oder ignorant, dass ich mich mit dem Thema Wassersportmöglichkeiten beschäftigte. Sehr viele Menschen in Myanmar leben buchstäblich von der Hand in den Mund und haben z.B. keine Krankenversicherung. Wir lernten während unseres Aufenthaltes natürlich auch Einheimische kennen, und aus ein paar diesen Begegnungen wurden Freundschaften. Immer wieder erfuhren wir so von den privat zu finanzierenden Kosten für medizinische Behandlungen beim Augenarzt, Zahnarzt, für eine OP bzw. eine Entbindung, die meist eine große Belastung darstellten. Sofern das von unseren Freunden nicht abgelehnt wurde, versuchten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten ein wenig zu unterstützen. Meine Frau arbeitete im Bereich Ziviler Friedensdienst und setzte sich beruflich mit vielen politischen und sozialen Problemen auseinander. So ließ uns das Thema nicht los, und wir sprachen oft über die sozialen Nöte in diesem Land.

Segeln sollte eins von verschiedenen „Ventilen“ oder Ablenkungen für uns werden, so die Idee. Aber am Ende schaffte ich es in Yangon dann nur bescheidene drei Mal aufs Wasser – in 2 ½ Jahren. Vor der Abreise nach Myanmar hatte ich mir ausgemalt, wie ich auf einer Jolle an Palmeninseln vorbei gleiten und zur Abkühlung ins Wasser springen würde. Doch die Realität sah etwas anders aus. Okay, den Segelclub gibt es wirklich. Aber es dauerte einige Zeit, bis ich zum ersten Mal auf ein Boot steigen konnte. 

Der Segelclub öffnete jeden Freitagabend für Nichtmitglieder. Das auf einer Landzunge gelegene Clubgelände mit dem Clubhaus wirkten fast schon mondän. An Moorings schaukelten dutzende Holzjollen in den Wellen. Am Ufer standen ein paar Palmen. Bei kühlen Getränken saßen wir manchen Freitag Abend auf bequemen Holzmöbeln auf einer gepflegten Wiese direkt am See. Einfach traumhaft. Gleich beim ersten Besuch versuchte ich rauszukriegen, wie ich mir vielleicht eine Jolle mieten könnte und ob eine Mitgliedschaft möglich wäre. Die Idee mit der Mitgliedschaft ließ ich aus verschiedenen Gründen schnell wieder fallen. 

Ich hatte bald verstanden, dass das Segeln hier unter besonderen Vorzeichen stand. Da wäre zunächst das Problem mit dem speziellen, tropischen Klima. Myanmar hat drei Jahreszeiten, die ich für Yangon so beschreiben würde: 1. Von November bis Februar ist es warm bis sehr warm, so wie hier in Deutschland in einem heißen Sommer. Aber es gibt oft Flauten bzw. wenig Wind. 2. Von März bis Mai ist es brüllend heiß. Für mich jedenfalls meistens viel zu heiß für Aktivitäten im Freien. 3. Von Mai/ Juni bis September/ Oktober ist Regenzeit. Es ist sehr nass, so dass sogar die Klamotten im Schrank und die Lederschuhe im Regal schimmeln, wenn die Klimaanlage nicht läuft. Und es regnet nicht, es schüttet. Gewitter mit Sturmböen fegen über das Land. In anderen Landesteilen, insbesondere in den Bergen, ist das Klima natürlich anders, teils kühler und angenehmer. Aber ich berichte ja hier von Yangon.

Ein weiteres Problem waren die räumlichen Einschränkungen auf dem See. Wegen der US-Botschaft, dem Privathaus der defacto Regierungschefin und diverser Hotel- und Privatanlagen darf nur auf einem begrenzten Teil des Sees gesegelt werden. Die Einweisungen dazu sind sehr ernst zu nehmen, wie uns eindringlich erklärt wurde. 

Dann fand ich irritierend, dass auf dem See kein anderes Segelboot unterwegs war. Außer zwei Trainingsgruppen, eine auf einem Drachenboot und eine auf einem Ruderboot, war während unserer Touren niemand auf dem Wasser. Freizeitsport ist bei der Masse der Myanmaries unbekannt oder schlicht außerhalb der Vorstellungen, was angesichts der prekären ökonomischen Verhältnisse vieler Menschen auch überhaupt nicht verwundert. Und im See baden zu gehen, haben wir uns besser verkniffen. Das Wasser sah sehr trübe und alles andere als einladend aus, und wir befürchteten zu viele gefährliche Keime.

Trotzdem waren die erwähnten drei Touren auf dem See ein tolles Erlebnis. Beim ersten Mal mieteten meine Frau und ich ein Zweierkajak. Ein Mitarbeiter des Clubs begleitete uns mit etwas Abstand in einem Einerkajak, um zu verhindern, dass wir in die „falsche Richtung“ paddeln. Begleitetes Paddeln;) Trotzdem konnten wir es sehr auf dem Wasser genießen, bis die Mittagshitze uns zu heftig wurde und wir völlig erledigt zum Steg zurückkehrten. Zu den beiden Segeltouren nahm ich jeweils einen Freund mit aufs Wasser. Beide hatten kaum Segelerfahrungen und waren begeistert. Bei der zweiten Segeltour passierte mir ein kleines Missgeschick. Wir waren zu nahe an eine Insel herangefahren und blieben mit dem Schwert in den Wasserpflanzen hängen. Wir kamen zwar nach Aufholen des Schwertes kurz frei, aber mit so wenig Schwertfläche hatten wir keine Chance. Der Wind drückte uns weiter Richtung Land und wir blieben erneut hängen. Und da kein Paddel an Bord war, wie mir nun erst auffiel, musste ich über Bord springen und dem Boot einen Schubs nach Luv geben. So habe ich also doch noch im Inya Lake gebadet, wenn auch nicht ganz freiwillig und nur mit den Beinen. 

Geblieben ist mir die Erinnerung an drei unvergessliche Touren auf dem Inya Lake von Yangon, zwei davon mit wunderschönen, alten Holzjollen. 

Seit Februar 2020 sind wir nun wieder zurück und ich freue mich schon riesig, dass es jetzt wieder auf den Templiner See geht. Vielleicht laufen (oder segeln) wir uns ja mal über den Weg? Und falls ich dann „Mingalaba“ sage, passiert das aus alter Gewohnheit und heißt einfach nur „Hallo“.

Jörg von der Old Lady, im Mai 2020